Helimissionsgründer Ernst Tanner schrieb:
Die Versorgung der Hungernden in den Lagern am Rande der äthiopischen Danakil-Wüste in den Achtzigerjahren war bei den hohen Temperaturen eine enorme körperliche Herausforderung für mich. Ganz zu schweigen von der seelischen Belastung durch den Anblick der verhungernden Menschen. Die armen Kinder litten am meisten und starben am schnellsten, denn sie hatten keine Reservepolster, von denen sie hätten zehren können.
Müde machte ich mich nach einem solchen Tageseinsatz auf den Heimflug. Mein Ziel war die Station in Deze. Unterwegs musste ich bei einer Verteilstation meinen Schweizer Helfer mitnehmen. Über Funk hatte er mir mitgeteilt, der Arzt müsse ihm noch einen Dorn aus dem Fuss entfernen, aber das sei bald erledigt. In Afrika dauert alles länger, so auch diese kleine Operation. Endlich erschien der Helfer und mit etwas Verspätung konnten wir starten. Nach meiner Rechnung mussten wir Deze dennoch vor dem plötzlichen Eindunkeln – das für Afrika typisch ist – erreichen. Die Wüste lag bald hinter uns. Wir flogen den niedrigen Hügeln entgegen, auf denen mehr und mehr Gestrüpp und dann auch Bäume sichtbar wurden. Meine Höhennadel stieg parallel zu den immer dichter bewaldeten Hügeln an. Der Gegenwind wurde stärker und tief hängende Wolken verhinderten die Sicht und einen direkten Anflug. Deshalb musste ich auf ein niedrigeres Gelände im Süden ausweichen und verlor dabei viel wertvolle Zeit.
Auch in der Fliegerei kommen meistens mehrere Übel zusammen. Die Wolken verdunkelten nicht nur den Himmel, auch auf der Erde wurde es dämmerig. Zu allem Überdruss fing es auch noch an zu regnen. Und der Heli verfügt über keine Scheibenwischer. Die Sicht verschlechterte sich von Minute zu Minute. Ich flog knapp über den Bäumen im Licht meines eingeschalteten Scheinwerfers langsam weiter. Irgendwann musste ich auf eine Strasse stossen, von der ich wusste, dass sie dem letzten Bergkamm vor Deze entlangführte. Endlich lockerte sich der hohe Wald, und die Strasse tauchte im Scheinwerferlicht auf. Das war eine grosse Erleichterung! Langsam flog ich der Strasse entlang und hoffte, irgendwann eine Lichtung zu finden, gross genug für eine Landung. Manchmal verschwand die schmale Naturstrasse unter den Baumkronen. Nach einer starken Steigung wurde die Strasse etwas breiter und weitete sich zu einem Platz, gross genug, um eine Landung in der Dunkelheit zu wagen. Doch eine Strom- oder Telefonleitung, die im Scheinwerferlicht auftauchte, verhinderte mein Vorhaben. Ich drehte eine Runde, in der Hoffnung, den Platz dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Behutsam näherte ich mich der Öffnung von der anderen Seite, immer bedacht, mit dem Heck keine Baumkrone zu erwischen. Die Strafe für eine solche Unvorsichtigkeit wäre der Verlust des Heckrotors und damit ein Kreisen um die eigene Achse gewesen.
Endlich berührten die Kufen den Boden. Wir waren gerettet! Auch durch Afrikas Nacht und Regen!. Neben dem Platz stand ein barackenähnliches Gebäude. Wir befanden uns auf einem Militärposten. Die Soldaten waren über den nächtlichen Besuch sehr überrascht, nahmen uns jedoch freundlich auf und boten uns eine einfache Schlafgelegenheit an. Mein Helfer wollte sich aber dennoch auf den Weg machen, um die Station hinter dem Hügel, wie er meinte, zu Fuss zu erreichen. Dort stand nämlich unser Auto, mit dem er mich später abholen wollte. «Nein, das ist unsinnig, es ist Nacht, wir sind in Afrika, es gibt wilde Tiere, bleib besser hier!», überredete ich ihn besorgt. Als ihm nach unserer Ankunft in Deze die Stationsmitarbeiter bestätigten, dass ihn die vielen in dieser Gegend lebenden Hyänen bestimmt gefressen hätten, schätzte er meine Einwände. Sie hatten ihn wohl vor einem einsamen, bitteren Sterben bewahrt. Diese und weitere spannende Berichte von Ernst Tanner finden Sie in diesem Buch.
コメント