Beinahe abgeschossen
- haeberlin5
- vor 6 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Ich hatte den Auftrag, vier kirchliche Mitarbeiter im Süden Kameruns, nahe der Grenze zu Kongo-Brazzaville abzusetzen. Weil es sich um ein Gebiet handelte, in dem sich gelegentlich Scharmützel von Rebellen aus dem Kongo ereigneten, stand die Gegend unter Militärkontrolle.
Wir meldeten uns deshalb im Vorfeld beim Militär-Kommandanten in der Hauptstadt Yaoundé und baten um Landeerlaubnis. Wir erhielten sie ohne weiteres, und der Mann versprach, die beiden Truppeneinheiten an der Grenze über unser Kommen zu informieren.
Es war ein langer Flug über dichten Regenwald ohne markante Orientierungspunkte wie Flüsse, Strassen oder Berge. Ich bemühte mich, auf Kurs zu bleiben, und erreichte das erste Dorf auf Anhieb. Das Militär wies mir einen Landeplatz zu. Die beiden ersten Passagiere stiegen aus und ich startete zum nächsten Dorf. Ich war beruhigt, dass die Information des Militärs geklappt hatte. Beim Überflug des zweiten Ortes sah ich verschiedene Leute bei der Arbeit und konstatierte befriedigt, dass der Ort bewohnt war. Dann setzte ich zur Landung an und war erstaunt, niemanden mehr zu sehen. Beim Heranschweben entdeckte ich direkt unter mir einen Soldaten neben einem Wachhäuschen, mit dem Gewehr im Anschlag. Mir wurde unwohl. Etwas stimmte hier nicht. Der Dorfplatz, auf dem ich landete, war menschenleer. Ich sah jedoch einen weiteren Soldaten hinter einer Hausecke, ebenfalls das Gewehr im Anschlag.
«Hier stimmt etwas nicht», sagte ich zu meinen Begleitern. «Bitte steigt doch erst einmal aus und lasst euch sehen.» Kaum waren sie ein paar Meter vom Helikopter entfernt, tauchten von allen Seiten bewaffnete Soldaten auf und umringten sie. Ich beobachtete, wie einer der Passagiere dem Offizier seinen Ausweis zeigen wollte. Doch der winkte energisch ab. Offensichtlich war die Meldung aus der Hauptstadt nicht bis hierher vorgedrungen.
Nach zwei Minuten stand der Rotor still. Etwas unsicher und mit Herzklopfen nahm ich mein mehr oder weniger weisses Taschentuch, stieg aus und winkte mit meiner weissen «Fahne» energisch, während ich mich der Gruppe näherte. Ich versuchte, so mutig wie möglich zu wirken, und rief dem Offizier von weitem zu, ob er eigentlich auf Schweizer schiessen wolle, damit werde er weltberühmt.
Er schien sich gefasst zu haben und fragte, woher wir kämen. Ich erklärte ihm, dass wir von Yaoundé gekommen seien und dass die Truppe eigentlich vom Kommandanten hätte informiert werden müssen. Er war noch immer im Zweifel und sagte nur: «Ich habe Befehl, auf jedes Fluggerät zu schiessen, das sich unangemeldet nähert. Meine Truppe (wohl etwa fünfunddreissig Mann) war bereit, Sie noch vor der Landung abzuschiessen. Als ich jedoch das Schweizerkreuz sah, habe ich den Befehl widerrufen, um zu sehen, wer da kommt.»
Welch ein Wunder – ein schwarzer Offizier am Ende der Welt erkannte das weisse Kreuz im roten Feld! Wer weiss, vielleicht hielt er es für das Rote Kreuz! Für mich war das nebensächlich. Wichtig war nur: das Kreuz hatte uns das Leben gerettet.
Die Männer hielten uns mit vorgehaltenen Gewehren in Schach, bis die Bestätigung meiner Angaben eintraf. Erst danach gab es ein freundliches Grüssen und ein hörbares Aufatmen.
Kommentare