Spielball im Wind

(Auszug aus Ernst Tanners Buch «Dem Tod entronnen – immer wieder»)

Auch auf unserem über sechstausend Kilometer langen Rückflug von Kamerun in die Schweiz galt es, wie schon beim Hinflug, das Hoggar-Gebirge in Algerien zu überfliegen. 

Die roten Felsentürme dieses Gebirges ragen steil in den Himmel empor. Unter der glühenden Wüstenhitze wirken sie wie ein riesiger Ofen, der die Luft nach oben treibt. Dadurch entsteht eine Thermik von ungeheurer Kraft und Geschwindigkeit, in der ein kleines Fluggerät wie eine Feder emporgehoben wird. 

Weit oben kühlt die Luft ab und fällt in einem weiten Umkreis ebenso schnell wieder nach unten. Dadurch entstehen gewaltige Turbulenzen, in denen der Helikopter herumgeworfen wird. In solch atemberaubenden Situationen wünscht man nichts so sehr, als wieder festen Boden unter den Füssen zu bekommen. 

Diesmal wollte ich die Turbulenzen über dem Hoggar-Gebirge überlisten, indem ich sehr früh am Morgen starten und über sie hinwegfliegen wollte. Leider wurde mit dem Frühstart nichts. Der Flugplatz liegt siebzehn Kilometer von Tamanrasset entfernt in der Wüste. Als wir am Abend des Vortages gelandet waren, hatten wir zwei Schweizer getroffen, die anboten, uns in die Stadt zu fahren. Eine «bescheidene» Bedingung war daran geknüpft: Wir sollten sie am kommenden Morgen zu einem kleinen Flug mitnehmen, damit sie das Hoggar-Gebirge fotografieren könnten, über das sie ein Buch schreiben wollten. Nun, wir hatten keine andere Fahrgelegenheit, und so nahmen wir das Angebot an. Durch diesen «kurzen» Rundflug verpassten wir also den Frühstart, und ich liess mich über dem Hoggar-Gebirge mitsamt meiner vollen Benzinladung von der heissen Luft in die Höhe treiben. Oben, auf ungefähr drei- bis viertausend Metern, war es relativ ruhig, und ich freute mich, die gefährlichen Turbulenzen überwunden zu haben. Doch plötzlich sackte die Maschine ab. Ich wurde von der fallenden Luft erfasst und raste buchstäblich in die Tiefe. Trotz voller Leistung gab es kein Halten mehr. Mit all dem Treibstoff war ich eine fliegende Bombe. Ich schrie zu Gott um Hilfe. Die liess auf sich warten. Erst etwa fünfhundert Meter über Boden wurde der Fall durch ruhige Luft gebremst. Die Rotorblätter ratterten und schüttelten die ganze Maschine durch. Ich war nicht sicher, ob die Blätter diese ungeheure Kraftprobe bestehen würden. Mir fehlte die so nötige Flugstundenerfahrung. Gottlob zerbrachen sie nicht, und die Maschine beruhigte sich allmählich wieder. Mit dem Schrecken in den Knochen flog ich so tief wie möglich in ruhiger Luft weiter Richtung Norden. 

Als ich jedoch in das Arrak-Gebirge einflog, wurde ich von neuem von ungeheuren Windböen hin- und hergeworfen. Bei jedem Seitental ergriff mich ein neuer Windstoss. Nach etwa einer halben Stunde konnte ich nicht mehr. Ich musste landen, um meine Kräfte zu sammeln und meine Nerven zu beruhigen. 

Da tauchte plötzlich auf der Sandpiste eine Kolonne von fünf weissen Landrovern auf. Sie hielt an, und der Reiseleiter rannte zu uns herüber. Mit spöttischem Lächeln meinte er: «Ich habe auf meinen Reisen durch die Sahara schon vieles gesehen, aber noch nie einen notgelandeten Helikopter!» Ich lächelte zurück, fasste Mut und startete zum weiteren «Sturmflug». Sobald ich das Gebirge verlassen hatte, verlief die Reise wieder ruhig und normal.