Das halbe Dorf stand lachend und staunend um die beiden weissen Männer, die gerade versuchten, mit dem Wasserfilter Trinkwasser aus einem schmutzigen Eimer zu pumpen und damit ihre Feldflaschen wieder zu füllen. «Air kotor!», «Schmutziges Wasser!» riefen sie uns zu und staunten nicht schlecht, als wir anschliessend einen vorsichtigen Schluck aus unseren Flaschen tranken – es schmeckte nicht schlecht, jedenfalls in dieser Situation, weitab jeglicher westlichen Zivilisation im dichten Regenwald Papuas in Indonesien.
Bereits am frühen Morgen des vergangenen Tages waren wir mit dem Helikopter von Wamena aus gestartet. Zusammen mit Ben, meinem Pilotenkollengen, flog ich den Heli entlang des Baliemtals Richtung Flachland. Noch bevor wir das Bergmassiv hinter uns gelassen hatten, nahm die Bewölkung zu und schon bald befanden wir uns unter einer geschlossenen Wolkendecke, die nur wenige dutzend Meter über dem schwülfeuchten, fast komplett flachen Sumpfgebiet lag, das den Süden Papuas kennzeichnet.
Etwa eine halbe Stunde später landeten wir in Dekai, dem nächstgrösseren Flugplatz, um Baumaterial zu laden. Unser Ziel: Das Bergdorf Sesepne, nur etwa 20 Flugminuten von Dekai entfernt. Inzwischen hatte Regen eingesetzt und ich flog den vollbeladenen Heli zwischen den Nebelschwaden, die vom üppigen Grün unter uns aufstiegen, zurück Richtung Berge. Wir brauchten mehrere Versuche, um den Weg durch die zunehmende Bewölkung zu finden und schliesslich landete ich etwas oberhalb des Dorfes auf einer geraden Fläche – gerade noch rechtzeitig, bevor sich die Wolkendecke um uns schloss. Nun sassen wir bei Nieselregen im Nebel. Die Papuaner aus dem Dorf empfingen uns freundlich und versicherten uns: «Um 11 Uhr» wird es bestimmt wieder blauen Himmel geben.
Aus 11 Uhr wurde 15 Uhr und wir begannen unsere Schlafsäcke aus dem Heli auszupacken – wohlwissend, dass das Zeitfenster für den Rückflug vorbei war. Zum Abendessen wurden uns Köstlichkeiten aus dem Dorf serviert: Süsskartoffeln mit gekochtem Kürbiskraut, dazu Zuckerrohr und reichlich Bananen. In einem Schuppen durften wir unser Lager aufschlagen, allerdings nicht allein - vermutlich aus Neugierde, zu sehen wie wohl Weisse schlafen - übernachtete das halbe Dorf bei uns! Zum Glück hatte ich ein kleines Zelt als Mückenschutz mitgebracht, dieses bot etwas Privatsphäre.
Wir schliefen schlecht und am nächsten Morgen ging auch noch das Trinkwasser zur Neige und so durften wir den Wasserfilter ausprobieren, den wir zum Glück immer im Heli mitführen. Endlich lockerte sich der Nebel etwas und als es aufhörte zu regnen, liefen wir zum Heli und entfernten die Abdeckungen. Aber noch bevor wir einen Startversuch wagen konnten, sassen wir schon wieder im stockdicken Nebel und es begann erneut zu nieseln. So sassen wir weitere lange Stunden in dem Schuppen und warteten. Gegen Mittag wussten wir, dass wir die nächste Gelegenheit packen mussten, sonst wäre das Zeitfenster wieder vorbei und wir würden uns auf eine weitere Nacht hier einstellen müssen! Also gingen wir erneut zum Heli und warteten dort, voller Hoffnung, eine kurze Lücke im Nebel zu erwischen. Und da war sie – zunächst waren einige Bäume ringsum sichtbar, dann einige in der Ferne, und schliesslich sogar der gegenüberliegende Berghang! Aber bereits kroch neuer Nebel vom Tal her die Hänge hinauf, wir hatten also vielleicht nur zwei Minuten! Während ich mich ins Cockpit schwang, die Checkliste in Rekordzeit durcharbeitete und auch schon das Triebwerk startete, entfernte Ben noch die letzten Abdeckungen vom Heli, und eine Minute später waren wir in der Luft. Gerade rechtzeitig, um über den Nebel davon nach Hause zu fliegen!
Salomo, Pilot
Comments