(Auszug aus Ernst Tanners Buch «Dem Tod entronnen – immer wieder»)
Allgemein meinen die Leute, dass ein Helikopter wie ein Stein vom Himmel falle, wenn das Triebwerk aussetzt. Dem ist jedoch nicht so. Bei Triebwerkausfall erscheint ein Blinklicht im Cockpit und gleichzeitig ertönt ein akustisches Warnsignal. In Sekundenschnelle muss der Pilot die Rotorblätter horizontal stellen, damit die Drehzahl durch den Luftwiderstand nicht abnimmt, sonst würde der Heli tatsächlich abstürzen.
Da nun der Auftrieb wegfällt, sackt der Helikopter mit zehn Metern pro Sekunde ab. Die Vorwärtsgeschwindigkeit muss um die sechzig Knoten betragen. Diese wird etwa dreissig Meter über Boden durch Anstellen der Helikopternase (Flair) abgebremst. Drei Meter über dem Boden werden die Blätter wieder angestellt. Damit wird der Fall gebremst und die Maschine sachte aufgesetzt.
Diesen Vorgang muss jeder Helikopterpilot bei der Prüfung beherrschen. Die minimale Höhe für eine sogenannte Autorotation beträgt hundert Meter. Darunter wird es schwieriger und gefährlich. Voraussetzung ist ein freier, ebener Platz, gross genug, um den Helikopter noch fünf Meter rutschen zu lassen. Dazu dienen die schlittenartigen Kufen am Helikopter.
Unser Jet Ranger Bell 206 musste einmal von Äthiopien nach Kamerun überflogen werden. Ich war mit zwei Begleitern und mit viel Treibstoff in Kanistern in Addis Abeba gestartet. Einer der Begleiter war Mechaniker einer Helikopterfirma in der Schweiz und hatte eben sein Helikopterbrevet absolviert. Er hatte Urlaub genommen und half mir bei der Wartung des Helikopters. Dafür durfte er mit mir Erfahrungen und vor allem Flugstunden sammeln.
Beim Flug über die Wüste im Tschad war es wieder einmal fällig, aus den Kanistern zu tanken. Dazu musste ich landen. Beim Absinken aus einer Höhe von dreitausend Metern erblickte ich in der Ferne einen ausgetrockneten Fluss, gesäumt von kleinen Bäumen und Gestrüpp. In der Nähe waren einige kleine Siedlungen. Überall herrschte Hunger und Dürre. «Wenn schon landen, dann dort bei diesen verlassenen Menschen, um nach ihrem Befinden zu schauen», dachte ich.
Ich verlängerte meinen Anflug bis zu den Dörfern. Dabei wurde meine Reserve immer knapper. Die Anzeige sank auf fünf Gallonen, als ich nach links abdrehte und zur Landung ansetzte. Das war ein Fehler. Durch die Kurve verlagerte sich der Treibstoff im Tank. Für einen Moment sog die Pumpe Luft an. Das genügte, um das Feuer im Triebwerk zu löschen. Ich hatte noch etwas Treibstoff im System, um aus der Kurve zu drehen. Doch in diesem Moment stellte das Triebwerk ab. Ich befand mich ungefähr dreissig Meter über kleinen Bäumen und Gestrüpp. Zum Glück hatte ich einige hundert Autorotationen geübt, um nicht in Panik zu geraten.
In Sekundenschnelle setzte ich die Maschine mit einer Vollstopp-Autorotation zwischen den Bäumen ab, denn zum Ausschleifen war kein Platz da. Der Helikopter machte durch das scharfe Bremsen einen Ruck, hob leicht den Schwanz und senkte ihn wieder. Mein junger Copilot schaute mich mit grossen Augen an und sagte: «Jetzt habe ich zum ersten Mal etwas gesehen, was unmöglich ist!»
Den Höhepunkt der Bewahrung bemerkten wir erst beim Inspizieren der Maschine: Kaum fünf Zentimeter neben dem Heckrotor stand ein drei Zentimeter dicker, abgebrochener Stamm. Aufgrund der Spur im Sand musste der Helikopter mit dem Schwanz auf der linken Seite des Stammes aufgesetzt haben. Dann hatte sich der Schwanz offensichtlich durch den harten Stopp wieder angehoben, schwebte über den Stamm und schliesslich – ohne ihn zu berühren – kam er auf der anderen Seite zum Stehen. Hätte der Heckrotor den Stamm auch nur leicht touchiert, wäre er in Stücke geflogen. Das war wirklich Engelspräzision!
Einen Heckrotorschaden an diesem verlassenen Ort der Welt zu reparieren, wäre schwierig genug gewesen. Schlimmer noch: Beim Verlust des Heckrotors hätte sich der Helikopter sogleich um die eigene Achse gedreht und wäre ausser Kontrolle geraten. Ein Totalschaden wäre nicht ausgeschlossen gewesen. Wir hatten viel Grund zum Danken!
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