Ernst Tanner blickt auf einen der ersten Helikopter-Überflüge über die Sahara nach Kamerun anfangs der 70-er Jahre zurück:
Um nicht zu lange über Wasser fliegen zu müssen, plante ich, das Mittelmeer bei der Meerenge von Gibraltar zu überqueren. Wegen der militärischen Sperrzone musste ich jedoch viel früher Richtung Marokko abdrehen. Ich brauchte allen Mut für den weiten Flug über Wasser.

Hinzu kam noch eine andere Mutprobe: In Malaga, Spanien, hatte man mir versprochen,
dass es in Tetuan,
Marokko, das von mir benötigte Flugbenzin gebe. Beim Anflug jedoch hiess es am Funk der Flugplatzleitung, es gebe kein Flugbenzin. Wir schätzten
die Distanz zum nächsten
Flugplatz und berechneten unsere Reserve. Ein Zurück war nicht möglich. Wenn sich der Wind nicht
mehr änderte, müsste es bis auf die letzten
fünf Gallonen reichen.
Unter enormer Nervenanspannung flog ich der steilen Küste entlang, meinen Blick halb auf die Benzinuhr geheftet, halb in die Ferne blickend, ob sich die Küste endlich verflachen und der Flugplatz Al Hoceima auftauchen würde. Da entdeckten mein Begleiter und ich plötzlich zwei mehrere Meter lange Haie im smaragdgrünen Wasser unter uns. Sie schwammen gemächlich nebeneinander in derselben Richtung wie wir. Es war ein ungleicher Wettlauf. Warteten sie vielleicht auf ein schweizerisches Abendbrot? «An uns zwei habt ihr nicht viel zu beissen!», tröstete ich sie und gab Vollgas. Endlich kam der ersehnte Flugplatz in Sicht und ich landete wie berechnet mit den letzten fünf Gallonen.
«Was haben all diese üblen Vorzeichen zu bedeuten?», fragte ich mich. «Was wird uns erst in der weiten, unendlichen Sahara begegnen?» Vorläufig konzentrierte ich mich auf das Füllen des Benzintanks. Ich wusste ja, dass auch am nächsten Morgen Gottes Gnade neu auf uns wartete. Die Treibstoffversorgung wollte ich von Oase zu Oase organisieren. Das «Wie» würde ich an Ort und Stelle klären. Tatsächlich fand ich überall einen Landrover, einen Fahrer, einige Fässer oder Kanister, die ich mit Benzin füllen liess. Es erforderte blindes Vertrauen in die mir unbekannten Wüstenbewohner. Wir verabredeten jeweils, dass sie nachts fahren und den Heli nach einer Anzahl Kilometer auf der Wüstenpiste erwarten würden, damit ich landen, auftanken und weiterfliegen konnte.
Was, wenn einer es sich anders
überlegte, den teuren Treibstoff
verkaufte und unsere Abmachung
in den Wind schlug?
Wir sässen heute noch mit unserem
Heli in der Wüste …
Einmal wäre es beinahe so weit gekommen. Statt am Morgen neben der Piste auf uns zu warten, hatte der Mann im Schatten einer Felswand parkiert – wie verständlich, bei den Temperaturen! Mein Begleiter erspähte ihn erst, als wir bereits ein gutes Stück an ihm vorbeigeflogen waren.
Auf dem Weiterflug nach Agadez und Zinder begegneten uns vereinzelte Karawanen, kleine Siedlungen, und bald erschienen grüne Palmbäume entlang der Sandpiste unter uns. Wir nahten uns wieder der Zivilisation. Nach tagelangem Flug über Sand und Stein freuten wir uns über die Farben.
Bei einem unserer Einsätze in einem Dorf bekam ich einen ziemlich aussergewöhnlichen «Lohn»: zwei junge Krokodile! Ihre Schnauzen waren mit Lianen zugeschnürt. Ich verstaute sie im Kofferraum des Hubschraubers und brachte sie nach Yaoundé zur Basis. Als ich dort nach der Landung die Türe vorsichtig öffnete, blickte ich entsetzt direkt in einen Krokodilrachen. Das Tier hatte sich während des Fluges die Lianen abgestreift. Blitzschnell schlug ich die Türe wieder zu und überliess das seltene Geschenk den einheimischen Mitarbeitern. Krokodilfleisch gilt bei Afrikanern wie auch bei Weissen als Delikatesse.
(Auszug aus dem Buch «Dem Tod entronnen – immer wieder» von Ernst Tanner)
